Persönliche Erklärung - Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten

"Das Leben verlangt oft Entscheidungen, bei denen jede Option ein Stück Herz kostet."

Als Abgeordnete, Mutter und Europäerin bin ich der festen Überzeugung, dass jeder Mensch das Recht hat, mit seiner Kernfamilie zusammen zu leben. Dieses Recht gilt unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion und Aufenthaltsstatus und steht aus meiner Sicht jedem Menschen zu. Ein intaktes Familienleben ist ein Menschenrecht und elementar für ein glückliches, positiv ausgerichtetes und selbstbestimmtes Leben. Es ist einer der wichtigsten Integrationsfaktoren für Neuangekommene, denn Menschen können sich nur aufs Ankommen konzentrieren, wenn sie ihre Liebsten in Sicherheit und bei sich wissen, Eltern lernen mit ihren Kindern die Sprache, das Land und die Leute kennen. 

Die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre haben CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart. Dies war für mich mit Blick auf das eingangs Gesagte ein sehr schmerzhafter Kompromiss. Trotzdem werde ich als Mitglied der die Regierung tragenden SPD-Bundestagsfraktion aus nachfolgenden Gründen mit „Ja“ und damit für den vorliegenden Gesetzentwurf stimmen. 

Ich halte den Familiennachzug generell für ein wichtiges Instrument geordneter Migrationspolitik. Er eröffnet einen sicheren und geprüften Zugang zu einem Aufenthaltstitel. Familien gehören zusammen. Sie haben zumeist auch positiven Einfluss auf die Integration, Leistung und Stabilität. Die Position der CDU/CSU war es jedoch noch in den Koalitionsverhandlungen, den Familiennachzug bei subsidiär Schutzberechtigten vollständig abzuschaffen. Bereits in diesen Verhandlungen haben wir als SPD durchgesetzt, dass die Aussetzung des Familiennachzugs lediglich befristet auf zwei Jahre durchgeführt wird. Dabei ist die Befristung auf zwei Jahre für uns auch ein wichtiger Punkt, um verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben zu genügen. Wir haben mit der Union verabredet, dass wir nach zwei Jahren prüfen, ob eine weitere Aussetzung im Rahmen der Migrationslage notwendig und juristisch möglich ist. Die Befristung auf zwei Jahre ist für uns ein entscheidender Punkt, um humanitären sowie verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben zu genügen. Eine andere Auslegung ist nach der Vereinbarung im Koalitionsvertrag nicht möglich, es kann kein Automatismus der Aussetzung entstehen. 

Es ist für mich zudem ein wichtiger Punkt, dass explizit Härtefälle von der Aussetzung des Familiennachzugs unberührt bleiben. Hierfür wird auf die §§ 22, 23 des Aufenthaltsgesetzes zurückgegriffen. Ich unterstütze nachdrücklich, dass während der parlamentarischen Beratungen beschlossen wurde, die geltende Härtefallregelung gemäß § 22 Aufenthaltsgesetz transparent zu gestalten. Hierfür müssen insbesondere die Zuständigkeiten und das Antragsformat inklusive des Rechtschutzes gegen ablehnende Entscheidungen klar definiert sein, und vor allem müssen die Informationen zum Verfahren nach § 22 Aufenthaltsgesetz für die Betroffenen gut zugänglich sein. 

Es gilt auch die Gewährleistung des Artikels 8 EMRK. Hiernach sind bei den im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung zu berücksichtigenden humanitären Gründen bei der Härtefallregelung auch die Dauer der Trennung, das Kindeswohl sowie unüberwindbare Hindernisse, um die Familieneinheit im Herkunftsland herzustellen, zu berücksichtigen. Familienangehörige, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits von einer Auslandsvertretung eine Einladung zur Visierung bzw. Visumabholung erhalten haben oder bei denen die Erteilung eines Visums Folge eines zuvor außergerichtlichen oder gerichtlich geschlossenen Vergleiches ist, sind von der Regelung nicht betroffen. Sie dürfen trotz Aussetzung des Familiennachzugs zu ihren Angehörigen nach Deutschland kommen.

Die Abstimmung über die Aussetzung des Familiennachzugs ist für mich und für uns keine einfache Entscheidung. Dennoch halten wir uns an die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, dem die SPD-Mitglieder mit über 84 Prozent zugestimmt haben. Auch für uns wichtige Themen wie jetzt gerade die Mietpreisbremse werden in diesem Rahmen umgesetzt. Hier erwarte ich dann auch von der Union Vertragstreue. Mit Blick auf die oben beschriebenen Punkte ist die befristete Aussetzung als politischer Kompromiss für mich daher noch vertretbar, zumal kein Automatismus für eine weitere Aussetzung entsteht. 

Dr. Tanja Machalet, MdB

 

Berlin, 27. Juni 2025